Der berühmte Organologe Dr. Reinhard Jaehn aus Eutin beschrieb die Walcker- Orgel der Stadtkirche Sternberg im März 1983 wie folgt:
"Diese Orgel ist das Opus 744 von Eberhard Friedrich Walcker & Co. in Ludwigsburg, erbaut 1895, eine Stiftung des berühmten und reichen Musikverlegers und Musikinstrumentenhändlers Julius Heinrich Zimmermann in Leipzig (dieser war eine Zeitlang auch Sternberger Abgeordneter im mecklenburger Landtag)."
Nur Dank dieser Stiftung war die Gemeinde Sternberg zu einer Walcker Orgel gekommen. Walcker- Orgeln gehörten zu den teuersten ihrer Zeit, aus eigenen Mitteln hätte sich die Gemeinde auch im Jahr 1895 niemals ein Instrument von Walcker leisten können.
Ein berühmter Zwilling
Die Sternberger Orgel, so Jaehn weiter, genießt europäische Bedeutung. Sie ist die einzige noch erhaltene von den ersten drei Walcker- Orgeln in Europa, die Hochdruckstimmen bekamen. "Die Hochdruckregister waren 1895 eine Sensation, später wurden sie alltäglich und rutschten geschmacklich ab. Die ersten Hochdruckflöten und -gamben, wie die Sternberger Flöte, sind noch ganz auf orchestrale Färbung gerichtet, fern der "Kraftmeisterei" späterer Zeiten."
Die beiden Walckerschen Geschwisterorgeln waren die Opus 703 für Frankfurt/ St. Petri und Opus 732 für den Petersdom in Rom. Von besonderer Bedeutung ist, dass die Sternberger Orgel dem damals berühmten Zwillingsinstrument in Rom so nahe stand. Die Orgel im Petersdom in Rom hatte II/19, also 2 Register weniger, dafür aber Stentor- Flöte und Stentor- Gambe. Sie war auf einem fahrbaren Podest montiert. Später wurde sie durch einen Neubau ersetzt. Auch die Frankfurter Petriorgel existiert nicht mehr. Nur der Zwilling in Mecklenburg blieb erhalten.
Nach Jaehn spielte das Instrument eine weitere wichtige Rolle innerhalb der Mecklenburger- Landes- Orgelgeschichte. Nach dem Kriegsverlust der großen Walcker- Orgeln in Rostock/ St. Petri (1916) und Neubrandenburg/ St. Marien (1915) war sie die einzige unverändert erhaltene Walcker- Orgel größeren Formats in Mecklenburg. Die Walcker- Orgel in Rostock/ Hl. Geist (1908) wurde ja leider verändert. In Schleswig- Holstein ist keine einzige Walcker- Orgel erhalten geblieben. Jaehn stellte zudem 1983 fest: "das erstklassige Material der Sternberger Orgel hätte die Zeiten gut überstanden- trotz Feuchtigkeit, Ungeziefer und sanierungsbedürftiger Kirche. Die gute pneumatische Kegellade hat durchgehalten und wird eine Restaurierung gut möglich machen. Die raffinierte orchestrale Farbigkeit der Orgel ist zur Zeit nur zu ahnen. Nach der Wiederherstellung wird sie die Organisten faszinieren und von weit her anziehen. Es versteht sich, dass diese Orgel als Denkmal zu betrachten ist und vor jedweder Veränderung bewahrt werden muss."
Restaurierungsarbeiten an der Orgel
Nach der Restaurierung durch die Orgelwerkstatt Christian Scheffler (1990- 1991) schrieb der spätere Organist an der Marienkirche zu Stralsund, Martin Rost:
"Durch Verschleißerscheinungen, Witterungseinflüsse und starke Verschmutzung war die Orgel in den 1980er Jahren fast unbespielbar geworden. Im Herbst 1990 wurde der neugegründeten Restaurierungswerkstatt für Orgeln Christian Scheffler in Frankfurt/ Oder der Auftrag für die gründliche Wiederherstellung der Walcker- Orgel erteilt. Die Arbeiten wurden von der Firma Scheffler im November 1990 und Frühjahr 1991 durchgeführt, am 19.05.1991 fand die Wiedereinweihung der restaurierten Orgel statt. Alle Arbeiten der Werkstatt Scheffler wurden in außerordentlich sorgfältiger und liebevoller Weise ausgeführt. Viel Aufmerksamkeit wurde der Wiederherstellung des neugotischen Gehäuses mit seinen Ornamenten gewidmet. Die Orgel erhielt ein neues elektronisches Gebläse, die Zinkprospektpfeifen sind neu bronziert worden, der Spieltisch wurde in allen Teilen überarbeitet. Die klangliche Wiederherstellung lag in den Händen von Matthias Ullmann, der diese Aufgabe in hervorragender Weise gemeistert hat. In Sternberg ist eine Orgel wiederentstanden, die in der Farbigkeit ihrer Register und der Vielfalt von Klangmischungen einzigartig ist auch- trotz der eigentlich geringen Zahl von 21 klingenden Stimmen- hinsichtlich der Kraft und Klangfülle im akustisch wunderbaren Raum der Stadtkirche keine Wünsche offen läßt. Die orchestrale Klangwelt des Instrumentes wird Organisten und Hörer von nah und fern begeistern. ...."
Wer die Orgel je im Gottesdienst oder im Konzert gehört hat, wird das eindrucksvolle Klangerlebnis lange im Gedächtnis behalten.
(Quelle: "Die Sternberger Stadtkirche St. Maria und St. Nikolaus"- "Die Sternberger Walcker- Orgel, Autor: Christian Scheffler, erschienen 2012 im Schelfbuch- Verlag Schwerin, ISBN: 978-3-941689-14-5)